Bloggen gegen die Zeit

Ich habe mich heute auf Twitter mal wieder darüber beschwert gejammert, dass ich nicht zum Bloggen komme. Beziehungsweise, dass ich zwar unzählige angefangene Postings und Themen in einer Liste auf meinem PC gesammelt habe, teilweise stehen auch schon Entwürfe, Einleitungen, Zwischenteile, Textstrukturen aber so gut wie nichts findet seinen Weg hier her.

Das liegt nicht, wie der Titel vielleicht vermuten lässt, an der fehlenden Zeit. Aber das Problem hat unter anderem auch mit Zeit zu tun.

 

Im Laufe eines auf meinen Tweet folgenden Gesprächs wurde mir ein Aspekt meiner Problematik bewusst. Der mit einem zweiten Aspekt der Problematik zu tun hat.

Vor ein oder zwei Wochen habe ich mal mein Verhalten in Bezug auf Blogs etwas beobachtet. Und da fiel mir auf, dass ich es mir angewöhnt habe, so nach dem Aufstehen mit ein oder zwei schönen Tassen Kaffee, nachzulesen, was ich bisher so „verpasst“ habe (die Anführungsstriche kommen daher, weil Schlaf und andere offline-Freizeitgestaltung ja nun nicht wirklich verpasst ist, sondern eben eine gewisse Priorität hat). Dann lese ich ein bisschen auf Twitter nach, überfliege Facebook, lese ein paar Zeitungsartikel und durchstöbere Bloglovin. Da kommt einiges zusammen und aus einer gemütlichen Aufwachstunde werden auch mal zwei oder drei, je nachdem, wie ich Zeit habe. Problematisch daran: nach dieser Informationsflut ist mein Kopf noch zu voll und mit der Verarbeitung der Inhalte ausgelastet, da kann ich nicht bloggen. Zu viele spannende, interessante, lehrreiche und/oder frustrierende Sachen. Ich kann es mir noch so sehr vornehmen, am Vormittag zu bloggen, weil Nachmittage und Abende mit arbeiten, studieren, Projekten organisieren oder offline-Freizeit belegt sind. In dieser Reihenfolge wird das nichts.

Der zweite Zeit-Aspekt der nicht-bloggen-Problematik ist ähnlich. So gerne würde ich über Sachen schreiben, meine Meinung, Ansichten, Haltungen, Eindrücke in die Welt posaunen, die relativ aktuell passieren. Tolle Links, die mir auffallen. Inhalte von Gesprächen, Vorträgen, Lehrveranstaltungen, Bücher, Filme, Musik besprechen. Für mich und mein Selbstverständnis gehört dann aber dazu, dass ich nicht einfach irgendwas schreiben will, sondern gewisse Fakten, Hintergründe, Strukturen etc. mit einfließen lassen möchte. Zum Beispiel, wenn ich einen Film gesehen habe, der mir ganz gut gefiel, dann suche ich mir ein bisschen zusammen, von wem er geschrieben, gedreht wurde, wer was damit ausdrücken wollte, in welchem Kontext er entstanden ist oder worauf er anspielt. Also werfe ich meine Suchemaschinen und Blogs an, bei Filmen lese ich ein paar Kommentare auf Moviepilot. Tja und schon bin ich erneut in meinem Informations-Overload. Dann kommt aber auch noch dazu, dass sich gewisse Informationen erst setzen müssen, meine Meinung ist ja nicht einfach da, die bildet sich. In Gesprächen. Durch Informationen. Oft passiert es, dass dann einige Zeit vergeht, weil ja auch der Alltag seine Aufmerksamkeit einfordert. Und dann werde ich v.a. bei Veranstaltungen oder auch den „aktuellen“ Aufregern in der netzfeministischen Welt unsicher, ob es sich wirklich noch lohnt, nach ein oder zwei Wochen dazu etwas zu veröffentlichen.

Das ist das Internet. Auf der einen Seite ist es ziemlich kurzlebig und die Aufreger der letzten Woche sind heute schon von ein, zwei oder sieben anderen, weiteren abgelöst. Zumindest was die Aufmerksamkeit „der Community“ (unbestimmter Begriff für die Menge an Personen/Institutionen, die mein Netzumfeld themenspezifisch prägen) angeht. Und auf der anderen Seite ist es so, dass gewisse Themen zeitlos sind. Gerade Blogs bieten die Möglichkeit Beiträge über einen längeren Zeitraum hinweg zu verfolgen und von vielen geht der Kontext ihrer Entstehung auch einfach verloren. Wenn ich jetzt etwas lese, das eine Person vor Monaten oder gar Jahren direkt betroffen hat, dann kann mich das berühren und ich diesem Menschen mein Mitgefühl in die Kommentare schreiben – aber ich glaube, das würde ich nicht tun. Weil ich mehr oder minder davon ausgehen kann, dass seitdem noch vieles anderes geschehen und passiert ist und das, was ein Beitrag JETZT in mir auslöst, eigentlich der VERGANGENHEIT eines anderen Menschen gilt. Genauso wie ich es seltsam finde, Diskussionen von vor gefühlten Urzeiten in Kommentarspalten wieder aufzuwärmen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Worum es mir geht, ist die Tatsache, dass selbst bei eigenen Blogpost-Entwürfen der Kontext hin und wieder flöten geht. Der vielleicht mal aktuell war aber vom emotional motivierten Entwurf bis zur Veröffentlichung ist so viel anderes passiert, dass ich dann möglicherweise auch noch angefangen habe zu verbloggen… und so geht das IMMER WEITER.

Tja, was tun? Für Tipps und Hinweise bin ich immer dankbar.

Eine wunderbare Person auf Twitter hat mir den Tipp gegeben, aktuelles einfach in 200 Wörtern kurz zu verbloggen. Kurz fassen üben, denn das ist auch so eine Kunst die ich nicht beherrsche. Und von der ich mir einbilde, dass sie mir doch einiges helfen könnte.

Zudem habe ich mir vorgenommen, nachdem der Umzug und das Sommersemester jetzt abgeschlossen sind, jeden Morgen eine Stunde zu schreiben. Nicht unbedingt jeden Tag einen Eintrag fertig zu stellen aber mal zu schreiben. _Bevor_ ich anfange meine Informationskanäle durchzustöbern. Mal schauen, ob die Taktik was bringt.

So und weil es mich wirklich mal interessieren würde:

  • Wie macht ihr das, die regelmäßig bloggt? Habt ihr ein System? Wenn ja, verratet ihr es mir (und denen, die hier noch so mitlesen)?
  • Geht es anderen wie mir? Wenn ja, was motiviert euch zu den (vielleicht subjektiv zu wenigern aber egal) Posts, die ihr dann doch veröffentlicht?

11 Kommentare (+deinen hinzufügen?)

  1. Dentaku
    Aug 03, 2012 @ 23:34:32

    Das Problem kenne ich, viele meiner Artikel kommen aus den Entwürfen nie heraus. Eine rechte Lösung habe ich aber auch nicht.
    Manchmal wollen Dinge aber so dringend aufgeschrieben werden, dass der Beitrag sich in einem Stück fast selbst schreibt. Leider kann ich auch dahinter kein nutzbares System ausmachen.

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  2. Bäumchen (@baum_glueck)
    Aug 03, 2012 @ 23:53:29

    Wie ich dazu komme, etwas zu schreiben … ich hab das ähnliche Problem, dass ich in Diskursen nicht gleich anfangs mit dabei bin, da ich in vielen Dingen noch keine eigene Meinung entwickelt habe. Gerade auch, wenn es in den Kommentaren zu einem Artikel so richtig fetzt, bleibe ich oft sprachlos, vor allem, wenn mir der Artikel gefallen hat; ich aber manchmal noch nicht weiß wieso; aber er hat etwas in mir in Gang gesetzt. Ich bin nie groß dabei bei Kommentar-Clashs. Wenn ich dann mal was zu schreiben habe, leg ich los und es wird lang und es kommen noch einige Gedanken dazu … und dann bemerke ich, dass ich aus dem Kommentar auch einen Artikel machen könnte. So ging es mir mit meinem letzten Veganismus-Artikel zum Beispiel, der ursprünglich eine Antwort im internen Forum auf eine Frage von Steffi sein sollte.
    Was mich abhält vom Schreiben, ist der immer höhere Anspruch an die dargestellte Wissenschaftlichkeit eines gebloggten Textes. Was von manchen Blogger*innen bis zur Unverständlichkeit getrieben wird und m.E. dazu führen soll, unangreifbar zu sein. Jedenfalls ich mache es mir schwer, ausführlich auf soziologische Schachtelsätze zu antworten. Ich sitz da also und will meinen Senf zu etwas abgeben und bemerke, dass ich mir ja erstmal was „ab“recherchieren muss und noch da was gucken und sollte ich nicht noch schauen, obs da was Passendes von Bordieu gibt? Ich traue meinem Gefühl zu etwas nicht und meine, es untermauern zu müssen. Ich kann nicht bloggen, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Ich frage mich, ob das nicht doch auch deswegen so stark Teil der feministischen Blogosphäre geworden ist, weil wir als Frauen* oftmals befürchten müssen, nicht ernstgenommen zu werden. Gleichzeitig schau ich mir den Blog von RandomDude an und seine random Meinung zum aktuellen Tagesgeschehen ist so flappsig hingeschrieben, weil er es schon so gewohnt ist, dass er gelesen wird, dass ihm zugehört wird. Und dass seine Leserzahl bei Tausenden liegt und er in den Kommentaren bejubelt wird für seine „mutigen“ Aussagen.
    Ich versuche mir das Bloggen ohne Recherchieren anzueignen (das bezieht sich jetzt nicht auf Themen, in denen Recherche wichtig ist, um Sachen korrekt widerzugeben; sondern auf ,,Meinungsrecherche“). Es geht, weil ich mich öfter streite, mich öfters mit Menschen offen über schwierige Themen auseinandersetze, aber das Ganze basiert auf jahrelanges Anlesen von Themengebieten, die mir sehr wichtig sind. In den letzten Monaten lief es viel besser; zuvor aber war Bloggen für mich echt so ein auf dünnem Eis laufen.

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    • Chomsky
      Aug 06, 2012 @ 10:14:50

      @Bäumchen

      Vielleicht hilft es Dir, wenn Du weisst, weshalb Bourdieu ab und an so Schachtelsätze geschrieben hat. In diesem Kontext hat er nämlich einmal sinngemäss gesagt: „In Frankreich wird mal als Philosoph/Sozialwissenschaftler nur ernst genommen, wenn die man so schreibt, dass man nicht mehr verstanden wird.“ 🙂

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    • Khaos.Kind
      Aug 06, 2012 @ 23:12:15

      @Bäumchen
      Das mit den Diskussionen zu Artikeln geht mir ganz genauso!

      Ich frage mich, ob das nicht doch auch deswegen so stark Teil der feministischen Blogosphäre geworden ist, weil wir als Frauen* oftmals befürchten müssen, nicht ernstgenommen zu werden.

      Mhm… mein erster Impuls zu dieser Überlegung war, dass es ja nicht viel bringt. Wer Frauen* nicht ernst nehmen will, tut das auch nicht, wenn sie fundierter schreiben. Und dann bin ich etwas in mich gegangen und muss dir auch irgendwie zustimmen. Abgesehen davon, dass sich erst hinterher zeigt, ob es an Unverständnis oder Nicht-Verstehen-Wollen liegt, dass Frauen* weniger ernst genommen werden. Allerdings befürchte ich, dass die Hürde des Mitredens für Interessierte mit zunehmend wissenschaftlich orientiertem Textaufbau immer höher wird. So wichtig ich konkrete Begriffe und deren Bedeutungen finde, so versuche ich doch es möglichst einfach und simpel zu halten – zumindest hier 😉

      Es geht, weil ich mich öfter streite, mich öfters mit Menschen offen über schwierige Themen auseinandersetze,

      Daran muss ich echt noch üben. Früher ging’s mal besser. Aber während ich am Überlegen war, wie ich auf deinen Kommentar antworte, ist mir mal wieder klar geworden, sie sehr Bloggen über gewisse Themen für mich wirklich wie auf dünnem Eis laufen wirkt. Mir fehlt hier einfach noch der Mut – zur Lücke und teilweise zur Auseinandersetzung. Ich freue mich sehr für dich, dass es für dich besser geworden ist und hoffe, mir daran ein Beispiel nehmen zu können 🙂

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  3. Bäumchen (@baum_glueck)
    Aug 04, 2012 @ 00:00:00

    Ah, jetzt wollt ich doch noch schreiben, was ich mache, wenns blockiert: Oft überfordert mich die Komplexität eines Themas, so dass ich nur einen Berg vor mir sehe, den ich mit einem Anlauf nicht überwältigen kann. Was letztens geholfen hat, war ein Gerüst: Die wichtigste Aussage aufzuschreiben, quasi das Skelett eines Artikels, und nach und nach den Rest dazu basteln. Und nicht schon daran scheitern, wie ich den einführenden Satz schreibe.

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  4. Melanie
    Aug 04, 2012 @ 11:54:33

    system keines, prinzipiell das gleiche problem wie bei dir. manche posts werden aber quasi in meinem ‚kopf‘ vorgeschrieben. dann beschäftigt mich etwas und ich probiere verschiedene formulierungen aus, gerne vorm einschlafen. ich schreibe ja aber selten was, was mit ‚fakten‘ zu tun hat. oft sind ereignisse, dialoge oder schlagzeilen der aufhänger. und irgendwann hab ich dann die muße, dass auch zu verschriftlichen…

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  5. onyx
    Aug 04, 2012 @ 18:02:23

    Bei mir gibt es auch kein System. Manchmal fließen die Gedanken nur so raus, weil mich irgendein Netzfundstück oder einfach ein interessantes Thema dazu animiert. Manchmal liegen Artikel wochen- oder monatelang als Entwürfe herum. Manchmal möchte ich nur auf etwas aufmerksam machen, ohne große Abhandlungen dazu zu schreiben. Und manchmal tut sich wochenlang gar nichts. Weil bei mir Motivation, Ideen, Energie oder einfach Zeit nicht jederzeit unbegrenzt abrufbar sind. Man hat ja auch noch was anderes zu tun, als zu bloggen. Von daher, don’t panic.

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  6. Elle
    Aug 05, 2012 @ 16:55:56

    Mut zur Skizze. Zum Onlinestellen von Entwürfen. Zum Veröffentlichen von nicht zuende gedachten Gedanken, von ununtermauerten Analysen, Verzicht auf Pointen; nicht dem Gefühl hinterherjagen, jeder Eintrag müsse irgendwie ‚rund‘ sein. So versuche ich es.

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  7. Elaria
    Aug 07, 2012 @ 15:38:18

    Das kenne ich gut! Als ich über das Rosa Ü-Ei schrieben wollte- Zack war es schon überall online. Ich mache das so. Das Thema über das ich bloggen möchte, skizziere ich in kurzen Stichpunkten und speichere es als Post-Entwurf. Dann lese ich max. ne Woche über das Thema in anderen Blogs, Zeitungen etc. und lass es sacken. Oft wird mein Standpunkt erst richtig klar wenn ich ihn nieder schreibe. 😉 Auch wenn andere Blogs bereits über das Thema geschrieben haben, es gibt immer Freunde und Follower die diese Blogs nicht lesen und vor allem deine Meinung dazu noch nicht kennen. Wenn es gute Artikel in anderen Blogs gibt, verlinke ich diese und suche dann noch zur Auflockerung ein passendes Bild. Mein Mastertipp: sacken lassen, intuitiv schreiben, kurz halten (max. 900 Wörter). Viel Spaß am schreiben. Lg Elaria

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  8. lomoherz
    Aug 21, 2012 @ 15:06:35

    Mi gehts es genauso, aber wirklich genauso wie dir! Die Entwürfe häufen sich, und an verregneten Tagen wird es nur noch schlimmer.
    Ich habe jetzt versucht, mir einen echten Zeitplan aufzustellen. Zum Beispiel will ich noch etwas zur Buchmesse bloggen, und das hat dann ganz klar Priorität. Darüber hinaus will ich meine thematischen Sommerblogs natürlich nicht im Winter posten, also werden alle jahres- und eventunabhängige Postentwürfe ersteinmal nach hinten verschoben. Dass ich zu jedem Blogeintrag auch noch ein Lomobild poste, vereinfacht die Sache aber nicht unbedingt… 😉

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  9. Trackback: Alltag einer Workaholic – Der chaotische Jahresrück-/ausblick « Die chaotische Welt der Geschlechter

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